Aus der Schreibwerkstatt der Autorin
Das neueste Projekt, es ist seit acht Wochen in Arbeit, thematisiert die Liebe in allen möglichen Schattierungen, und auch die Liebe des Narzissten. Die Autorin hörte unzählige Analysen im Internet von Fachleuten. Ein Aspekt fehlte ihr: der gesellschaftliche Bezug (Verallgemeinerung) und die Frage, warum wir heute so sehr mit diesem Phänomen zu kämpfen haben. Die Analysen erschienen ihr zu individualisiert und die „Schuld“-Frage zu einseitig auf den Schultern des Narzissten abgeladen. Hans Joachim Maaz untersuchte das Phänomen des Bösen in einer Konferenz (vgl. Youtube). Die Autorin schrieb daraufhin diesen Brief an einen (fiktiven) Narzissten (man bemerke: der Narzisst wird hier auch als Opfer angesprochen):
Brief an ein Narzissmus Opfer „Was macht uns böse?“
Lieber XYZ, du kennst mich: Ich bin nicht in der Lage, einfach aufzugeben. Ich zerbreche mir den Kopf, was unser Problem ist/war. Heute hörte ich eine Konferenz eines Psychotherapeuten aus der Ex DDR an einer Universität (Hochschule Mittweida) und hier sind einige Überlegungen, bei denen ich sofort an dich dachte (aber eigentlich auch an mich).
Woher kommt das Böse? Das war das Thema der Konferenz. Natürlich ging es vornehmlich um die Schuld der Deutschen, die ein ganzes Volk ermordeten (Juden). Aber es gab Aspekte, die mich aufhorchen ließen.
Die Rolle der Mutter: Es geht um die Mutter, die unfähig ist, ihr Kind zu lieben. Sie ist der Ursprung des Bösen: Beziehungsdefizit ist das Stichwort. Sie benutzt ihr Kind: Ständig kontrolliert sie das Kind, nimmt die Luft zum Atmen, lässt keinen Freiraum zum Entwickeln der eigenen Lebenskonzepte. Im Gegenteil: Sie kontrolliert, ob das Kind täglich die Werte, die sie gut findet, praktiziert (bei dir: Katholische Kirche, bei mir Unterwerfung unter ein böses System, ist aber eigentlich das Gleiche) Der Psychologe spricht von narzisstischer Mutterbedrohung (mein Problem: „lebe nicht“, „ich will dich nicht“// Euthanasie-Nazi- Mutter) (bei dir: Hat mein Kind heute schon gebetet? Gott angefleht um Besserung seines Charakters? Nämlich des Charakters, den sie will); Sie hasst und sie ist nicht in der Lage, eine positive Mutterbeziehung zu pflegen. Und um diesen Hass geht es. Die Mutter hat mörderische Ambitionen, vor allem dann, wenn ihr Kind seinen eigenen Weg beschreitet. Sie wird ständig „besorgt“ sein, weil sie den beschrittenen Weg ihres Kindes nicht teilt.
Die Folgen der „Erziehung“ durch die Vampir Mutter: Das Kind soll für die Mutter leben, das Kind muss sich schützen vor dieser Mutter. Es wird energetisch missbraucht. Sein Leben lang ist es auf der Flucht vor diesem Missbrauch, flieht, ist emotional nicht in der Lage, eine positive Beziehung aufrechtzuerhalten. Das Kind denkt: „Ich bin nicht gut genug“ und ist Zeit seines Lebens dabei, zu beweisen, dass es „gut“ ist. Liebe kann man nicht verdienen, aber das weiß das Kind nicht. Also – was macht es? Es verharrt im Dauerstress, sein Leben lang. Zu erkennen, dass die Mutter liebesunfähig ist, würde bedeuten, dass das Kind nie wieder diese Liebe reklamiert. Das läuft so aber nicht: Die Welt ist voller Supermenschen, die ihrer Mutter (auch der toten) ständig beweisen wollen, dass sie „gut“/ „erfolgreich“/“schön“/ etc. sind. (Sportler, Politiker, Künstler, Lehrer….)
Das Kind fragt sich: Bin ich gewollt? Werde ich ausreichend geliebt? Wo ist meine Freiheit? Meine Selbstbestimmtheit? Es entwickelt Strategien, um zu überleben.
Es ist Teil der Gesellschaft, die erstickend ist, keinen Freiraum gewährt und krank ist. Krank wegen der Erfahrungen durch den Krieg (der das Resultat des Bösen ist, natürlich).
Noch etwas: Das Kind hat Angst davor, ausgegrenzt zu werden (das erklärt das Rudelverhalten, eigenständiges Handeln erfordert Mut), also erträgt es Zeit seines Lebens seine Bürde – die Bürde nie von der Mutter geliebt worden zu sein. Die Gemeinschaft außerhalb der maroden Familie dient der Befriedigung des angehenden Narzissten, das Kind wird darauf fixiert, wenigstens hier seine „Liebe“ und „Anerkennung“ zu bekommen. Das Resultat: Es ist gelähmt, nur noch Spielball antrainierter, fremdbestimmter Verhaltensweisen. Es hasst sich dafür und wird „böse“. Ich denke bei diesem Bild an folgendes: Dieser Mensch sitzt in einem Ruderboot und kommt nicht voran. Unter dem Boot ist es festgekettet an einen Felsen. Ständig klingelt das Handy, das fragt, ob gerade wieder etwas erledigt/geschafft/getan wurde, dass die Mutter befriedigt. Ich würde noch einen Satz hinzufügen:
Die Ehe ändert gar nichts: Später übernimmt die Partnerin/der Partner diese Rolle, denn sie/er hat nichts anderes gelernt. Das ehemalige Narzissmus Opfer wird versuchen, aus dieser Ehe auszubrechen oder eine unleidliche Beziehung führen.
Und der Vater? Er sieht in seinem Kind die Fortsetzung seiner eigenen Ziele. Es soll die Firma übernehmen, so „erfolgreich“ sein wie er, sein Lebenskonzept übernehmen. Auch hier wird kein Gedanke an die freie Entwicklung des Kindes verschwendet. Mit Liebe hat das also auch nichts zu tun.
Zwischen diesen beiden Eltern steht das Kind, das narzisstisch bzw. krank wird (es versucht, sich die Liebesdefizite wieder zu holen), das bindungsunfähig ist (es flüchtet vor eng werdenden Beziehungen, sondern zieht es vor, ständig durch neue „Beziehungen“ seinen Narzissmus zu befriedigen). Apropos „Krankheit“: Die Flucht in jedwede Krankheit ist auch eine Antwort auf die erstickende Familiensituation. Wobei es viele „Krankheiten“ gibt: Depression, Schizophrenie, Bipolarität und kann auch in Selbstmord oder Mord münden (der Jubel der Soldaten angesichts der Möglichkeit zu morden, die begeistert in einen Krieg ziehen, ist ein interessanter Aspekt).
Das Erschreckende: Wir haben es nicht nur bei dir und mir mit diesem Liebesentzug zu tun, das Problem ist verbreitet: Woher kommt das Böse? Woher kommen all diese neuen Täter, die jubeln, wenn andere leiden? Die keinerlei Empathie haben?
XYZ, wir können nicht die Welt ändern. Aber wir können bei uns anfangen. Seltsam – ich erinnere mich, dass wir immer darüber lachten: Wir beide hatten in der Kindheit Strategien der Flucht entwickelt. Erinnerst du das? Ich erzählte, dass ich immer von zuhause geflüchtet bin und mein Netzwerk draußen hatte. Soweit ich mich erinnere, sagtest du das gleiche.
Die Beziehung zu dir hat mir über vieles die Augen geöffnet.
Für dich wünsche ich mir, dass du tapfer bist und an diese verdammte Thematik gehst, mit Courage. Du bist intelligent, du hast es nicht nötig, dich als Spielball irgendwelcher Strategien von außen erniedrigen zu lassen.
Ich schreibe an meinem Roman, der mir sehr am Herzen liegt.
Alles Gute, Saffo
ps: Der Mythos um die perfekte „Mama“ ist, glaube ich, auch vor allem von den beziehungsunfähigen Müttern kreiert worden (übrigens wo? In der jüdischen Kultur: die Mama-Witze sind Thema Nummer 1, in der katholischen – darüber brauchen wir kaum noch nachzudenken….)