Kalabresische Eindrücke

RIACE zuerst

Wo beginnen? Am 20. Oktober erfuhr die Autorin von einer Demonstration in Riace, dem früheren Migrantendorf im Süden Kalabriens. Anlass war die Wiederherstellung der Freiheit und Unbescholtenheit des ehemaligen Bürgermeisters, die gefeiert wurde. Sie entschloss sich, mit dem Auto von Norddeutschland nach Kalabrien zu fahren, organisierte ein Quartier – und traf dort auf eine Gruppe von Freunden des (ehemaligen) Bürgermeisters, die teils aus dem Umland, teils aus Rom wegen der Kundgebung angereist waren. Das Ambiente erinnerte an frühere Zeiten, in denen Solidarität groß geschrieben wurde und Hetzkampagnen keinen Platz fanden. Gemeinsam besuchten sie das Dorf, in dem bereits Hunderte Menschen warteten.

Die Vorgeschichte

Der Bürgermeister, Domenico Lucano, hatte einen Ort geschaffen, in dem Flüchtlinge nicht nur ein Zelt fanden, sondern eine neue Gemeinschaft, Arbeit und Zukunft. Die ersten Flüchtlinge waren Strandgestrandete Kurden, die der Bürgermeister aufnahm. Weitere Migranten, über das Mittelmeer geflohen, zählten zu den neuen Bewohnern des Dorfes. Das Vorhaben wurde zum Vorzeige Projekt und fand internationalen Beifall, von der Rechten aber stets argwöhnisch beäugt. Ein Gang durch das Dorf bewies, dass ein Zusammenleben möglich ist, wenn Strukturen geschaffen werden, die zukunftsträchtig sind. (Nebenbei: In Kalabrien gibt es viele Dörfer, die verwaist sind und sich darüber freuten, wenn wieder Leben einzöge. Ein Problem, das vielerorts in Europa herrscht.) In Zeiten rechter Hetz-Dominanz in Italien, in Herrschaftszeiten Melonies, wurde eifrig nach Möglichkeiten gesucht, dem beliebten Bürgermeister ein politisches Ende zu setzen.

Die Anklagepunkt waren lang (Zitate aus:https://linsoumission.fr/2023/09/20/scandale-mimmo-migrants/):

„Die Staatsanwaltschaft von Locri1 forderte sechs Jahre Haft für Domenico „Mimmo“ Lucano, den ehemaligen Bürgermeister von Riace, der dafür bekannt ist, dass er sein kleines Dorf in Kalabrien in einen Zufluchtsort für Migranten verwandelt hat, und verlangte eine exemplarische Strafe. Das Gericht ging weit über die Forderung der Richterschaft hinaus und verurteilte den ehemaligen linksgerichteten Politiker schließlich zu 13 Jahren und zwei Monaten Zuchthaus. Ein bleihaltiges Urteil (jahrelanger Hausarrest), das normalerweise Komplizen der Cosa Nostra oder Schwerverbrechern vorbehalten ist. Mimmo Lucano wurde des Betrugs, des Missbrauchs von Gesellschaftsvermögen, des Betrugs zu Lasten des Staates und der Beihilfe zur illegalen Einwanderung angeklagt. In seiner kleinen süditalienischen Stadt mit 1900 Einwohnern soll er die Müllentsorgung nicht ausgeschrieben haben und „Zweckehen“ organisiert haben, um Frauen, denen das Asylrecht verweigert wurde, zu helfen, in Italien zu bleiben. Während „persönliche Bereicherung“ von den Ermittlern ausgeschlossen wurde, wurde er auch dazu verurteilt, 500.000 Euro zurückzugeben, die er von der Europäischen Union und der italienischen Regierung erhalten hatte.“

„Mimo sagt oft, dass es der Erfolg und die Verbreitung des Beispiels von Riace waren, die das Dorf ins Visier der kalabrischen Mafia und später der verschiedenen italienischen Mächte und der Neofaschisten brachten. Sogar über den Standpunkt zur Migrationspolitik hinaus stellte diese Verbreitung ein politisches und auch wirtschaftliches Machtmodell in Frage, d.h. Flüchtlinge ohne Papiere als billige, käufliche Arbeitskräfte zum Einsammeln der Oliven zu betrachten.“

https://www.liberation.fr/international/europe/crise-migratoire-en-italie-le-maire-de-riace-condamne-a-une-lourde-peine-de-prison-20210930)

Am 29.10. wurde die Befreiung und Wiederherstellung seines Rufes mit ca. 700 Menschen gefeiert. Domenico – „Mimo“ – Lucano war von aller Schuld freigesprochen worden. Ein Sieg über die ‚Ndrangheta und die Melonie Krieger aus der rechten Szene, inklusive Staatsanwaltschaft (Lokri), der auf der Kraft internationaler und nationaler Solidarität beruht.

  1. Lokri gilt als eine der Hochburgen der ‚Ndrangheta ↩︎
Riace: 29/10/23 Mimo hält eine Rede, alles lauscht gespannt, um die letzten Neuigkeiten zu erfahren
Versammlung vor den Rednern: Mimo, genannt "der Kurde", Anwalt Andrea Aqua und der Pater Alex Zanotelli
konzentrierte Versammlung vor den Rednern: Mimo, genannt „der Kurde“, Anwalt Andrea Aqua und der Pater Alex Zanotelli
Kurdische Flüchtlinge spielen eine historische Rolle
Kurdische Präsenz : besonders im Herzen des Bürgermeisters Mimo, genannt „der Kurde“